Friedensgebet und Kundgebung am 19.06.2017

Zusammenfassung

Am vergangenen Montag hatten wir im Friedensgebet und auf der anschließenden Kundgebung einen besonderen Menschen zu Gast. Markus Nierth, der ehemalige Bürgermeister von Tröglitz, war extra nach Dresden gereist, um unsere Initiative zu unterstützen. Markus Nierth war ab 2009 ehrenamtlicher Bürgermeister des kleinen Ortes Tröglitz in Sachsen-Anhalt. Im Jahr 2015 sah er sich aufgrund seines Einsatzes für die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft in seinem Ort derart heftigen Anfeindungen rechter Kreise ausgesetzt, dass er letztlich keine andere Möglichkeit sah, als zum Schutze seiner Familie zurückzutreten.

Im Friedensgebet ließ uns Herr Nierth an seiner erschütternderen Geschichte teilhaben. Dabei stellte er nochmal dar, wie allein gelassen sich seine Familie und er in dieser Zeit gefühlt haben. Menschen, die plötzlich nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollten, oder sogar andere unter Druck setzten, den Kontakt zur Familie Nierth abzubrechen. Herr Nierth stellte auch klar, dass er selbst mit der Entscheidung, sich für die Flüchtlingsunterkunft stark zu machen, anfangs sehr gerungen hatte. Er stellte beeindruckend dar, wie wichtig es ist, sich eigene Ängste und Schwächen einzugestehen, denn nur dann hat man die Chance, diese zu überwinden. Dies gilt für alle Menschen, auch die, die zu Pegida gehen. Denn oft ist es gerade die Angst, die Menschen zu rassistischen oder fremdenfeindlichen Ansichten treibt. Angst zu haben ist menschlich und betrifft uns alle. Man soll sich seiner Schwächen und seiner Ängste immer wieder bewusst sein und sie sich eingestehen. Zum Abschluss rief Herr Nierth daher die etwa 70 Besucher des Friedensgebets dazu auf, Mut zu haben, sich den eigenen Ängsten zu stellen und auch anderen Menschen dabei zu unterstützen.

Im Anschluss begann die gemeinsame Demonstration mit der Gruppe Nationalismus raus aus den Köpfen mit einer Auftaktkundgebung vor der Kreuzkirche, bei der es einen kurzen Redebeitrag unsererseits gab. Dann liefen um die 50 Menschen gemeinsam durch die Weiße Gasse zum Neumarkt, um sich dort mit weiteren wartenden Menschen zu einer Gegendemo gegen die unmittelbar daneben stattfindende Pegida-Kundgebung zu vereinen. Hier kam es zu den üblichen Sprüchen und Beleidigungen. Hervorzuheben ist, dass unser Gast Markus Nierth nicht nur mit selbstgebasteltem Schild an der Gegendemo teilnahm, sondern in vorderster Reihe den Kontakt und die Diskussion mit Pegida-Anhängern suchte und dabei stets sachlich, aber bestimmt seine Ansicht vertrat. Es ist sehr bemerkenswert und aus unserer Sicht auch vorbildhaft, dass jemand wie Markus Nierth, der schon so viel Anfeindung und Hass über sich ergehen lassen musste, immer noch offen und unvoreingenommen auf Menschen zugeht.

Insgesamt hat der vergangene Montag unserer Initiative wieder neuen Schwung verliehen, weswegen wir uns dazu entschieden haben, auch in der zweiten Jahreshälfte wieder Veranstaltungen durchzuführen. Allerdings müssen wir gleichzeitig bekanntgeben, dass wir zuvor eine zweimonatige Pause einlegen und erst ab September wieder starten werden. Dies ist vor allem dem Fakt geschuldet, dass für viele von uns in den nächsten Wochen wichtige Prüfungen, zum Teil sogar das Staatsexamen oder Physikum anstehen. Wir sind nämlich gar kein so „faules Pack“, wie uns die Pegida-Anhänger gern titulieren, sondern eigentlich recht fleißige Studenten, die meist neben dem Studium auch noch arbeiten gehen. Deshalb brauchen wir nach einem Dreivierteljahr Arbeit an unserer Initiative auch einfach mal eine Pause. Wir rufen euch dazu auf, trotzdem auch weiterhin die Gruppe Nationalismus raus aus den Köpfen zu unterstützen, ob durch eure bloße Anwesenheit oder vielleicht sogar mal mit einer kleinen selbstorganisierten Veranstaltung. Auch kleine Aktionen helfen dabei, den Gegenprotest weiterzutragen und ihn mit Leben zu füllen.

Kundgebung vor der Frauenkirche

 

Redebeitrag auf der Kundgebung

Liebe Teilnehmende unserer Kundgebung,

soeben haben wir im Friedensgebet die bewegende Geschichte von Markus Nierth gehört. Für diejenigen, die noch nicht dabei waren, hier noch einmal kurz zusammengefasst. In dieser Funktion setzte sich Herr Nierth im Jahr 2015 für die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz ein. Daraufhin begann eine Hetzjagd rechter Kreise, die darin gipfelte, dass eine NPD-Kundgebung direkt vor das Familienheim der Familie Nierth führen sollte. Nachdem die örtliche Versammlungsbehörde diese Kundgebung nicht untersagte, trat Herr Nierth zum Schutze seiner Familie von seinem Amt zurück.

Die Bedrohung durch rechtsextreme Kreise war jedoch nicht die einzige Problematik, mit der sich die Familie Nierth konfrontiert sah. Fast noch schlimmer war, wie wenig Unterstützung die Familie Nierth aus der Zivilgesellschaft erhielt. Statt für ihr Engagement und ihre Zivilcourage Beistand zu erhalten, galten die Nierths in einer krassen Verkehrung der Opfer-Täter-Rolle bald als die „Störenfriede“ und „Nestbeschmutzer“, die nur Unruhe in den Ort bringen würden. Es ist also die Geschichte einer Familie, die sich für Mitmenschlichkeit und Toleranz eingesetzt hat, und dafür von der Gesellschaft im Stich gelassen wurde. All die schlimmen Dinge, die die Familie erfahren musste, die Hassbriefe, die Beleidigungen, die Drohungen, all das hätte sich leichter ertragen lassen, wenn mehr Menschen der Familie Nierth beigestanden hätten, wenn Menschen sich schützend vor sie gestellt hätten oder einfach nur öffentlich ihre Solidarität erklärt hätten.

In diesen Tagen, in denen sich der Gegenprotest gegen Pegida in Dresden an einem kritischen Punkt steht, und sich die Frage stellt, warum man sich das antut und ob dieser Protest überhaupt noch etwas bringt, lohnt es sich daher, sich die Geschichte der Familie Nierth ins Gedächtnis zu rufen. Denn diese Geschichte beantwortet die Frage, warum der Protest gegen Pegida auch weiterhin notwendig ist. Der Protest ist notwendig, weil wir ihn nicht für uns selbst ausüben. Wir üben ihn für Menschen wie die Familie Nierth aus, für Menschen die sich gegen Rassismus engagieren und sich dabei oft allein gelassen fühlen. Wir üben ihn für die Menschen aus, die in unserer Stadt noch immer tagtäglich Opfer von Rassismus und rechter Gewalt werden. Wir üben ihn für die Menschen aus, die zu schwach sind und keine eigene Stimme haben. Wer sich in einer solch schwierigen Lage befindet, wer ganz auf sich allein gestellt ist, der schöpft aus jeder freundlichen Geste neue Kraft und für den ist jedes Zeichen der Solidarität ein kleiner Hoffnungsschimmer.

Wir bekommen von Außenstehenden oft gesagt, unsere Initiative wäre ein Hoffnungsschimmer, ein kleiner Lichtblick für Dresden. Natürlich wäre es uns lieber, wenn wir ein heller Lichtstrahl wären, wenn wir mit hunderten oder tausenden von Leuten durch die Straßen ziehen und für Mitmenschlichkeit demonstrieren würden. Aber wenn wir nun mal nur ein kleiner Lichtblick sind, dann soll es eben so sein. Ein kleiner Lichtblick ist besser, als gar kein Lichtblick. Wenn andere Menschen, wie beispielsweise die tollen Menschen von Nationalismus raus aus den Köpfen, daraus Kraft schöpfen können, dass wir ihnen ab und an einmal zur Seite stehen, dann ist uns das Lohn genug. Dass muss auch in Zukunft das Ziel des Gegenprotestes gegen Pegida sein. Wenn es uns doch schon nicht gelingt, die träge Masse der Dresdner zu aktivieren, dann sollten wir wenigstens auch in Zukunft versuchen, ab und an kleine Zeichen zu setzen. Kleine Zeichen, damit die Leute, die so denken wie wir, wissen, dass sie nicht allein sind.

Lasst uns also gemeinsam auch heute ein solches kleines Zeichen setzen. Wir werden jetzt loslaufen und auf unserem Weg auch den Pegida-Sammelpunkt auf dem Neumarkt passieren. Wenn wir dort vorbeilaufen, bitte denkt daran, dass es nicht in erster Linie darum geht, diesen Menschen unsere Abneigung zu zeigen. Zeigen wir lieber, dass wir anders sind, dass wir ein anderes Verständnis davon haben, wie Menschen miteinander umgehen sollten.

zurück