Friedensgebet und Kundgebung am 20.02.2017

Zusammenfassung

Am gestrigen Montag, d. 20.02., nahmen knapp 100 Menschen am Friedensgebet in der Kreuzkirche teil. Anschließend beteiligten sich etwa 50 Personen an der Demonstration, die von der Kreuzkirche über die Prager Straße zum Hauptbahnhof führte. Obwohl die Veranstaltung diesmal durch einen größeren Zeitungsartikel angekündigt wurde, hat sich die Zahl der Teilnehmenden damit erneut verringert, was natürlich etwas enttäuschend ist.

Dennoch wollen wir hier keine Trübsal blasen. "Verzage nicht, du Häuflein klein" haben wir im Friedensgebet zusammen gesungen und so halten wir es auch. Wir freuen uns vielmehr über die Menschen, die trotz strömendem Regen mit uns diesen Weg gegangen sind und auf der Prager Straße das Lied "We shall overcome" erklingen lassen haben. So konnten wir gemeinsam an einem Tag, der sonst nicht viel Schönes mit sich brachte, wenigstens ein kleines Zeichen der Hoffnung auf bessere Tage setzen.

 

Redebeitrag auf der Kundgebung

Liebe Teilnehmende der Demonstration für Mitmenschlichkeit in unserer Stadt!

Der Monat Februar war bisher ein sehr unruhiger Monat in Dresden. Innerhalb weniger Tage wurde an mehreren Stellen einmal mehr deutlich, wie tief gespalten unsere Stadt ist und wie wenig versöhnlich man sich gegenübersteht.

Am Donnerstag, d. 02.02., erklärte der Dresdner Oberbürgermeister im Hinblick auf den 13. Februar, dass Dresden keine unschuldige Stadt war und dass man Acht geben muss, dass das Gedenken an Krieg und Zerstörung nicht für einen einseitigen Opfermythos missbraucht wird. Für diese Aussage, die einfach nur für einen reflektierten Umgang mit diesem Datum steht, erhielt Herr Hilbert Morddrohungen. Er und seine Familie mussten unter Polizeischutz gestellt werden.

Am Dienstag, d. 07.02., wurde die Installation „Monument“ auf dem Altmarkt eingeweiht. Es stellt eine Straßenszene im zerstörten Aleppo nach und soll ein Friedensmahnmal sein und ein Zeichen der Hoffnung, „dass es weitergeht - trotz aller Zerstörung“ – wie der Künstler Manaf Halbouni selbst sagte. Die Eröffnung wurde von einer Gruppe von mehreren hundert Menschen aus dem Umfeld der Pegida-Bewegung massiv gestört. Wie schon am 3. Oktober letzten Jahres wurden Politiker, Pfarrer und alle Menschen, die nicht ihre Meinung teilten, als „Volksverräter“ beschimpft, es fielen Begriffe wie „entartete Kunst“. Ca. 100 Polizeibeamte waren nötig, um die Veranstaltung abzusichern.

Am Freitag, d. 10.02., wurde auf dem Theaterplatz die Fotoausstellung "Lampedusa 361" eröffnet, die an Menschen erinnern soll, die in der heutigen Zeit auf der Flucht vor Krieg und Elend sind und auf dieser Flucht im Mittelmeer ertrunken sind. Da auch hier im Vorfeld zu Störaktionen aufgerufen wurde, musste die Veranstaltung wiederum durch zahlreiche Polizeikräfte abgesichert werden.

Am Samstag, d. 11.02., gab es gleich zwei Trauermärsche, die angeblich friedlich den Toten des 13. Februar gedenken wollten. In Wirklichkeit wurden auch diese Veranstaltungen genutzt, um Geschichtsrevision und Schuldrelativierung zu betrieben. Ein Redner ging sogar so weit, den Holocaust anzuzweifeln und offen den Nationalsozialismus zu verherrlichen. Hier gab es lautstarke Gegenproteste und wiederum mehrere Hundertschaften der Polizei, die dazwischen standen.

Auch für den 13. Februar selbst wurde aus den Reihen der Pegida-Bewegung noch einmal zu Störaktionen aufgerufen. So sollte zeitgleich zu dem friedlichen Gedenken vor der Frauenkirche eine wenig pietätvolle „Raucherpause“ auf dem Neumarkt abgehalten werden. Auch hier patrouillierte die Polizei massiv im Umfeld, um einen friedlicher Ablauf sicherzustellen. Insgesamt waren an dem Wochenende um den 13. Februar neun Hundertschaften der Polizei in Dresden im Einsatz.

Es scheint, als wäre es in Dresden nicht mehr möglich, eine Diskussion miteinander zu führen, ohne dass ein Polizeibeamter dazwischensteht. Das ist eine bittere Bestandsaufnahme und zeigt, wie weit wir uns derzeit von einer normalen demokratischen Diskussionskultur entfernt haben.

Dabei muss auch in aller Deutlichkeit gesagt werden, dass die Aggressionen fast ausschließlich von einer Gruppe Menschen ausgehen, die derart von ihrer eigenen Position überzeugt ist, dass sie diese zur Not auf gewaltsam durchsetzen will. Diese Leute stellen sich bewusst außerhalb des allgemeinen gesellschaftlichen Konsenses, dass wir unsere politischen Meinungsverschiedenheiten friedlich austragen.

Die Frage, vor der wir nun alle stehen – wir alle, die wir diesen Grundkonsens weiterhin bewahren wollen – die Frage ist: wie gehen wir damit um? Antworten wir auf Beschimpfungen mit eigenen Beschimpfungen? Antworten wir auf Drohungen mit eigenen Drohungen? Antworten wir auf „Volksverräter“-Rufe mit „Pegida in die Elbe jagen”? Sollen wir zurückschubsen, wenn wir angerempelt werden, und sollen wir zurückschlagen, wenn wir angegriffen werden?

Vor diesen Fragen stand auch die amerikanische Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King in den USA der 1950er und 60er Jahre. Ihre Situation war sogar noch wesentlich schwieriger. Rassismus war damals nicht nur Alltag, sondern wurde auch durch den Staat mitgetragen. Die Gruppe um Martin Luther King sah sich auf Schritt und Tritt Anfeindungen, tätlichen Angriffen und staatlicher Repression ausgesetzt. Dennoch ließen sich diese Menschen nicht vom Hass verführen, sondern glaubten fest daran, dass sie ihre Ziele nur auf friedlichem Weg erreichen würden. „Gewalt bringt niemals andauernden Frieden. Sie löst keinen sozialen Konflikt: Sie schafft nur neue und kompliziertere“, sagte Martin Luther King damals.

Er sollte Recht behalten. Die Strategie des friedlichen Protests führte zu einer Reihe von Gesetzesänderungen, wie den Voting Rights Act von 1965 und die Civil Rights Acts von 1964 und 1968. Letzteren sollte Martin Luther King nicht mehr miterleben, denn er war wenige Wochen zuvor einem Attentat zum Opfer gefallen. Noch bis zu seinem Tod hatte er für Gewaltlosigkeit geworben. Seine Worte hallen noch lange über seinen Tod hinaus: „Dunkelheit kann Dunkelheit nicht vertreiben; nur Licht kann das. Hass kann Hass nicht vertreiben; nur Liebe kann das.“

Auch wir dürfen uns von dem Hass, der in unserer Stadt verbreitet wird, nicht anstecken lassen. Wenn der friedliche Grundkonsens unserer Gesellschaft infrage gestellt wird, dürfen wir nicht selbst gegen ihn verstoßen, sondern müssen diesen Grundkonsens stattdessen umso mehr bekräftigen. Das verlangt uns einiges an Selbstdisziplin ab. Wir müssen standhaft bleiben und immer wieder für unsere Werte werben. Wir dürfen uns nicht provozieren lassen, sondern müssen auch weiterhin ausschließlich friedlich für unsere Positionen werben.

Dieser Weg ist alles andere als einfach und er wird uns auch in Zukunft noch einiges abverlangen. Aufgrund dieser Schwierigkeiten wollen viele diesen Weg gar nicht erst gehen, weil er ihnen zu anstrengend ist, weil sie ihn für zwecklos halten oder weil es ihnen schlicht egal ist, wie sich unsere Gesellschaft weiter entwickelt. Doch wir haben uns entschieden, diesen Weg zu gehen, weil uns diese Stadt und ihre Menschen zu sehr am Herzen liegen, als dass wir abseits stehen bleiben können.

Doch auch wenn wir diesen Weg gehen, besteht ständig die Gefahr, vom richtigen Pfad abzukommen. Es besteht ständig die Versuchung, Gleiches mit Gleichem zu vergelten und damit die Gefahr, in eine Abwärtsspirale von Hass und Gewalt hineinzugeraten. Wir müssen also wachsam bleiben und auch unser eigenes Handeln immer wieder kritisch hinterfragen.

Aber wenn wir all dies tun, dann haben wir eine Chance, etwas zu verändern. Auf jede noch so finstere Nacht folgt wieder ein neuer Tag. Und wie uns die Geschichte der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, aber auch die Geschichten der friedlichen Revolutionen in Indien, in Südafrika und auch hier in unserem eigenen Land, gelehrt haben, können die Kräfte des Friedens und der Liebe am Ende über Hass und Gewalt siegen. Auch wenn dieser Tag heute sehr fern scheint, so bin ich doch fest davon überzeugt, dass der Tag kommen wird, an dem auch die Pegida-Märsche enden werden. Ich habe in Leipzig das Ende von Legida gesehen und ich bin mir sicher, dass auch hier in Dresden eines Tages der Hass überwunden wird.

Daher lade ich sie nun ein, mit uns gemeinsam über die Prager Straße zum Hauptbahnhof zu ziehen. Und wenn wir dann durch die Prager Straße laufen, lade ich sie auch dazu ein, mit uns gemeinsam das Lied „We shall overcome“ anzustimmen, das auch die amerikanische Friedensbewegung damals auf den Lippen trug. Lassen Sie uns die Worte „We shall overcome some day“, „We are not afraid today”, “We’ll walk hand in hand some day” und “We will live in peace some day”, kraftvoll durch unsere Straßen erklingen lassen und damit unsere Hoffnung und Vorfreude auf diesen Tag, der irgendwann kommen wird, zum Ausdruck bringen.

Bitte begleiten Sie uns also noch dieses Stück zum Hauptbahnhof. Anschließend können Sie sich entscheiden, ob Sie noch in Hör- und Sichtweite zur Pegida-Kundgebung protestieren wollen, oder auch nicht. Wie auch immer Sie sich entscheiden, lassen Sie uns unseren Protest vor allem zivilisiert und friedlich zum Ausdruck bringen.

Presse

Artikel in der Sächsischen Zeitung - www.sz-online.de/nachrichten/erhobene-herzen-klare-koepfe-3615207.html

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