Friedensgebet und Kundgebung am 14.11.2016

Zusammenfassung

Trotz der sehr kurzfristigen Ankündigung fanden sich zu dem Ökumenischen Friedensgebet am 14.11. reichlich 100 Besucher ein. Sie erlebten eine bewegende Veranstaltung, die nicht nur durch Gesang, sondern auch durch Lesungen und einen Redebeitrag bereichert wurde. Ein großer Teil der Besucher nahm anschließend auch an der Auftaktkundgebung der Gruppe „Nationalismus raus aus den Köpfen“ vor der Kreuzkirche teil.

Anschließend beteiligten sich etwa 50 Menschen an einer Demonstration, die über die Prager Straße zum Hauptbahnhof führte. Dort vereinigte man sich mit der Demonstration „Wer schweigt, stimmt zu“ der Gruppe NOPE. Mit insgesamt ca. 300 Personen ging es zurück in die Innenstadt, um in Hörweite gegen den dort stattfindenden Pegida-Marsch zu protestieren.

Die Rückmeldungen, die wir bisher erhalten haben, waren durchgängig positiv. Daher denken wir über eine Wiederholung in absehbarer Zeit nach. Wir wollen aber auch nicht unerwähnt lassen, dass einige der vor der Kreuzkirche vorbeilaufenden Pegida-Anhänger meinten, wir wären eine „Schande“. Für uns als ehemalige Kruzianer ist das eine eher ungewohnte Situation, aber wir werden uns davon auch in Zukunft nicht entmutigen lassen!

 

Redebeitrag auf der Kundgebung

Sehr geehrte Damen und Herren!

ich gehöre zur Initiative „Erhebet Eure Herzen!“, die soeben das Ökumenische Friedensgebet in der Kreuzkirche gestaltet hat, und ich wurde gebeten, auch auf dieser Kundgebung noch einige Worte zu sagen.

Zunächst einmal möchte ich mich ganz herzlich bei Frau Kunert vom Bündnis „Herz statt Hetze“ bedanken, dich dafür gesorgt hat, dass die wöchentliche Demonstration „Rassismus raus aus den Köpfen“ hierher vor die Kreuzkirche verschoben wurde, um uns allen die Möglichkeit zu geben, in einem rechtlich gesicherten und geschützten Rahmen unseren Protest zum Ausdruck zu bringen. Dafür recht herzlichen Dank!

Weiterhin freue ich mich, dass sich viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Ökumenischen Friedensgebetes dazu entschlossen haben, auch noch dieser Kundgebung beizuwohnen und der Kälte zu trotzen. Lassen Sie uns zusammenrücken und einander gegenseitig wärmen!

Schließlich möchte ich auch all diejenigen begrüßen, die jetzt zu dieser Kundgebung zu uns gestoßen sind. Auch Sie sind in unserer Mitte sehr herzlich willkommen!

In meiner Ansprache während des Friedensgebetes habe ich in die ferne und nähere Vergangenheit zurückgeblickt und so versucht, Ihnen die Motivation für den Start unserer Initiative näher zu bringen. Ich habe von unserem Entsetzten darüber gesprochen, wie Rassismus in unserer Stadt wieder gesellschaftsfähig geworden ist, und unseren Schmerz darüber zum Ausdruck gebracht, dass die jahrelange Arbeit, die wir in unserer Zeit im Dresdner Kreuzchor für das Ansehen der Stadt Dresden geleistet haben, innerhalb kürzester Zeit zerstört wurde.

Hier und jetzt möchte ich jedoch über die Gegenwart und unsere Wünsche für die Zukunft sprechen.Zunächst einmal freut es mich außerordentlich, dass sich hier heute ein bunter Querschnitt der Dresdner Zivilgesellschaft versammelt hat. Von CDU-Anhängern bis hin zu Vertretern der Linkspartei ist alles vertreten, und das ist auch gut so!

Meine Damen und Herren, in unserer Stadt sind die Gräben zwischen den politischen Lagern traditionell besonders tief. Ob Waldschlösschenbrücke, Königsbrücker Straße oder Hafencity, man bekämpft sich oft jahrelang mit fast ideologischer Verbissenheit. Nun sind Auseinandersetzung und Streit geradezu notwendiger Bestandteil der Demokratie. Dennoch darf man darüber nicht das vergessen, was einen verbindet. Und ich denke – ich bin mir sogar sicher, uns alle verbindet der Wunsch, dass Dresden ein Ort ist, an dem Menschen unterschiedlichster Herkunft und mit unterschiedlichen Meinungen friedlich zusammen leben können. Doch dieser Grundkonsens wird seit zwei Jahren bedroht durch eine Bewegung, die meint, selbst festlegen zu können, wer in diese Stadt gehört, und wer nicht, und die sich dabei nicht an demokratische Entscheidungswege hält, sondern versucht, selbst „auf der Straße“ Fakten zu schaffen.

Diese Entwicklung – meine Damen und Herren – geht uns alle an. Denn es geht nicht nur darum, unsere Mitmenschen ausländischer Abstammung vor Übergriffen zu schützen – obwohl dies natürlich von absoluter Priorität sein muss. Es geht aber auch darum, die auf den Lehren unserer schwierigen Geschichte basierende Übereinkunft zu bewahren, dass wir unsere politischen Differenzen auf friedlichen Wegen ausfechten, und niemand dafür, dass er sich für seine politischen Überzeugungen einsetzt und vielleicht sogar in einem politischen Amt dient, in seiner Würde als Mensch herabgesetzt oder gar tätlich angegriffen wird. Diese Übereinkunft gilt es zu bewahren und an künftige Generationen weiterzugeben.

Dies – meine Damen und Herren – kann uns aber nur gemeinsam gelingen. Wir können uns den Luxus nicht erlauben, uns nur mit Leuten zu umgeben, die in allen Punkten unserer Meinung sind.Wir müssen auch aufeinander zugehen, um gemeinsam unser Recht zu schützen, unterschiedlicher Meinung zu sein. Davon ausgeschlossen sind nur diejenigen, die diesen friedlichen Konsens ablehnen und ihre eigenen Ziele „mit allen Mitteln“ durchsetzen wollen. Wenn man sich nicht auf diese gemeinsame Grundlage einigen kann, dann kann kein Dialog gelingen. Im Gegenteil führen Gesprächsangebote in diesen Fällen nur dazu, dass sich diese Leute in ihrem Vorgehen bestärkt fühlen. Wer meint, im Recht zu sein, nur weil er am lautesten schreit, und damit tatsächlich ernstgenommen wird und seine politischen Ziele erreicht, der wird es auch in Zukunft nicht auf anderem Wege versuchen.

Solchen Leuten gilt es, klar die Regeln unserer demokratischen Gesellschaftsordnung aufzuzeigen. Und wenn sie diese Regeln übertreten wollen, dann ist es die Aufgabe und Pflicht des Staates,sie davon abzuhalten. Was letzteren Punkt angeht, gibt es hier in Sachsen noch einiges an Nachholbedarf.

Jetzt habe ich viel davon gesprochen, was alles geschehen müsste. Doch was können wir, die wir hier heute versammelt sind, konkret tun. Zunächst einmal müssen wir erkennen, dass sich etwas in unserer Stadt ändern muss. An dieser Stelle sind wir alle, die wir hier heute der Kälte trotzen, denke ich einer Meinung. Doch wie überzeugen wir auch andere Leute davon, aktiv zu werden, und was sind wir zu leisten im Stande? Diese Frage kann sich jeder von uns nur selbst beantworten.

Ich für meinen Teil kann – auch im Namen unserer Initiative – nur sagen, dass wir uns auch weiterhin engagieren wollen. Wir werden jedoch nicht in der Lage sein, jede Woche eine vergleichbare Veranstaltung hier in der Kreuzkirche durchzuführen. Ein Großteil der ehemaligen Kruzianer, die heute aufgetreten sind, befindet sich bereits einem fortgeschrittenen Stadium ihres Studiums, viele arbeiten neben ihrem Studium und einige sind bereits voll werktätig. Aufgrund der großen Resonanz, die die heutige Veranstaltung gefunden hat, kann ich jedoch versprechen, dass es auf jeden Fall eine Wiederholung geben wird, vielleicht sogar noch in diesem Monat.

Das muss jedoch niemanden davon abhalten, nächste Woche nicht trotzdem an dem Ökumenischen Friedensgebet oder einer der Gegendemonstrationen teilzunehmen. Darüber hinaus gibt es in Dresden viele weitere Kirchen und zahlreiche Kulturinstitutionen, die imstande wären, abwechselnd derartige Veranstaltungen an einem Montagabend durchzuführen und so Anlaufpunkte für interessierte Menschen zu schaffen. Wir hoffen, dass wir mit unserem Engagement vielleicht einen Stein ins Rollen bringen können, um das viel zitierte „breite Bündnis der Dresdner Zivilgesellschaft“ tatsächlich mit Leben zu füllen. Was diese Stadt braucht, ist ein Aufstand der Anständigen, und wir sind gern bereit, unseren Beitrag dazu zu leisten.

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